Vortrag 11
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2000

 

SPIELENTWICKLUNG im Wandel der Zeiten (1969 - 2009)

 

A) Spiele haben sich in den letzten 40 Jahren sehr verändert

Was hat sich verändert:

  • Die äußere Erscheinung der Spiele (Schachtelvorder- und Schachtelrückseite, Format)
  • Die Illustrationen  
  • Qualität des Spielmaterials und der Spielregeln
  • Komplexität und Spieltiefe
  • Neue Spielgattungen (Kommunikationsspiele, Rollenspiele, Table Top Spiele, Sammelkartenspiele, Spiele mit Elektronik und PC-Unterstützung.)

 

Ursachen für die Veränderungen

  • Jury Spiel des Jahres
  • Spieleveranstaltungen, neue Institute (z.B. Spielemuseen, Archive)
  • Mehr Presseecho, mehr Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit
  • Entstehung und Weiterentwicklung einer Spielszene (Inland, Ausland)
  • Erscheinen der PC-, Video- und Konsolenspiele,
  • Veränderungen im Handel (Konzentration auf große Ketten, Versandhandel)
  • Veränderungen bei den Spielekäufern (Jugendliche, Erwachsene)
  • Veränderungen bei den Verlagen (sehr viele Kleinverlage)
  • Globalisierung der Spiele (Auslandsmärkte)
  • Spieleautoren (SAZ, Anzahl Autoren)
  • Internetportale über Spiele, Online-Spielen

 

Während in diesen letzten 40 Jahren eine Käuferschicht wegbrach: die Jugendlichen (ab 8 – 18), kam eine neue, große Käuferschicht hinzu: die Erwachsenen entdeckten das Spiel für sich.

 

Wie groß die Veränderungen waren, lässt sich daran messen, dass viele Spiele, die in den 70er-, 80er- und teilweise auch in den 90er-Jahren verlegt wurden, heute keine Chance mehr am Markt hätten. Umgekehrt hätten viele aktuelle Spiele damals keine Chance gehabt, verlegt zu werden. 

 

Heute haben wir einen zweigeteilten Spielemarkt: Einen Markt für Vielspieler und einen Markt für Gelegenheitsspieler.

Während sich der Geschmack der Vielspieler wesentlich geändert hat, ist das Spielverhalten und Kaufverhalten der Gelegenheitsspieler gleich geblieben.

 

Es kommen heute viel mehr Spiele auf den Markt als noch vor 10 Jahren, geschweige denn vor 40 Jahren. Früher gab es nur neue Spiele auf der Messe in Nürnberg. Wenn dort etwa 100 neue Spiele verlegt wurden, so war das viel. Heute erscheinen in Deutschland in einem Jahr nach meiner Schätzung 800 bis 1.000 neue Spiele. Allein auf den Internationalen Spieltagen in Essen werden weit über 500 neue Spiele veröffentlicht. Wir sprechen also von einer Verzehnfachung des Spieleangebots.

 

Dies hat natürlich deutliche Folgen: Die Abverkaufszahlen pro Spiel gingen stark zurück, ebenso die Lebensdauer eines Spiels. Ravensburger konnte früher öfters 100.000 Spiele von einer Neuerscheinung absetzen. Heute sind es mitunter nicht mal 25.000!

Früher betrug die Lebensdauer eines Spiels etwa 5 Jahre, heute werden viele Spiele bereits nach einem Jahr wieder aus dem Programm genommen. Nur bei Kleinverlage ist die Lebensdauer deutlich höher, weil das Programmsortiment wesentlich kleiner ist und zuerst alle Spiele der Erstauflage verkauft sein müssen, bevor man an eine Bereinigung denkt.

 

Spieleautoren müssen sich an die Veränderungen anpassen, wenn sie erfolgreich sein möchten. .

 

 

 

B) Was muss heute bei der Spielentwicklung besonders beachtet werden:

 

1. Abstrakt oder Thema oder Halbthema?

Während die alten klassischen Brettspiele (z.B. Mühle, Dame, Backgammon, Schach, Go) abstrakte Spiele waren, gibt es heute fast ausschließlich Spiele mit Themen. Dabei setzten sich die Themenspiele zunächst nur langsam durch (z.B. Monopoly, Risiko). Etwa ab 1980 wurden fast ausschließlich nur noch Spiele mit einem Thema veröffentlicht. Es gab in diesem Zeitraum nur ein erfolgreiches abstraktes Spiel, nämlich Abalone.

Jetzt seit „Blokus“ und „Einfach Genial“ gibt es wieder einige abstrakte Spiele (Ubongo, Just for Fun, Blox, On Top, Fits usw.).

 

Halbthema: Spiele, die früher als abstrakte Spiele veröffentlicht wurden, werden heute meist mit einem Halbthema versehen (wie z.B. bei Keltis).

 

Bei den Kartenspielen gibt es aber nach wie vor viele abstrakte Spiele, aber auch Spiele mit einem Halbthema (6 nimmt!, Bohnanza, Ziegen kriegen, Lost Cities usw.).

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Spieleautor heute nach wie vor bei einem Brettspiel mit guten Thema mehr Erfolg hat, als bei einem abstrakten Spiel.

Bei Kartenspielen geniest das Halbthema Vorrang.

 

 

2. Themen

Die Wahl des Themas ist für den Erfolg eines Spieles wichtig.

Es gibt Themen, die sehr problematisch sind, so z.B. Sportspiele. Von etwa 1000 verlegten Sportspielen waren maximal fünf erfolgreich (u. a. Tipp Kick).

Während Science-Fiction-Themen, Weltraum-Themen schon mehrfach ohne Erfolg umgesetzt wurden, waren viele Spiele mit Abenteuer- oder Mittelalter-Themen recht erfolgreich. Dies gilt auch für lustige, witzige und freche Themen.

Bei der Spielentwicklung sollte viel Zeit für die Auswahl eines interessanten, attraktiven und originellen Themas investiert werden.

 

 

3. Kinder-, Familien- oder Erwachsenenspiele

 

Die alten klassischen Spiele waren abstrakte Spiele für Erwachsene.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich das Spiel hauptsächlich zu einem Kinder- und Familienspiel entwickelt. Wenn Erwachsene spielten, dann waren dies die klassischen Spiele bzw. Kartenspiele (Rommee, Canasta, Skat, Bridge usw.).

 

Aufschwung im Spielemarkt: Ab etwa Beginn der 80er Jahre änderte sich das Spielverhalten der Menschen wesentlich.

Der deutschsprachige Spielemarkt erlebte einen erstaunlichen Aufschwung. Die Spielebranche hatte jedes Jahr einen zweistelligen Umsatzzuwachs. Der Gesamtumsatz bei Spielen stieg in diesem Zeitraum von etwa 260 Mio. DM (1982) auf etwa 850 Mio. DM (1994). Seit 1994 stagniert der Markt auf diesem (hohen) Niveau mit leichten Ausschlägen nach oben und unten.

 

Kinderspiele: Bedingt durch den Geburtenrückgang waren Kinderspiele eher rückläufig.

Jedoch seit 2001 kürt die Jury Spiel des Jahres jährlich das Kinderspiel des Jahres. Dadurch wird das Kinderspiel in den Medien wieder stärker wahrgenommen.

Die Aussage „wer als Kind nicht spielt, spielt auch als Erwachsener nicht“ trifft in der Regel zu.

Dies sollte für Spieleautoren ein Grund mehr sein, sich auch dem Kinderspiel zu widmen.

 

Familienspiele: Bevor ich näher auf die Erfolgsaussichten von Familienspielen eingehe, ein paar Worte zum Begriff „Familienspiele“. Die Abgrenzung zwischen Familien- und Erwachsenenspiele ist schwierig und nicht eindeutig.

Ursprünglich wurde der Begriff „Familienspiele“ für solche Spiele verwendet, die ausschließlich in der Familie gespielt wurden (Eltern, Kinder, Großeltern), wobei die Kinder in etwa dieselben Siegchancen wie die Erwachsenen haben mussten.

 

Heute wird - meiner Meinung nach - dieser Begriff für Spiele verwendet, die hauptsächlich von Gelegenheitsspielern gespielt werden.

Es wird nämlich heute – abgesehen von Kinderspielen - kaum noch in der Familie gespielt.

Das Freizeitangebot für Jugendliche ab 8 Jahren hat so stark zugenommen, dass Jugendliche sich mit ihresgleichen treffen und andere Unterhaltungen suchen. Mit dem Aufschwung der PC-, Video- und Konsolenspiele waren die Jugendlichen für die Brettspiele verloren (Ausnahme: Magic).

Dieser Verlust wurde jedoch durch erwachsene Gelegenheitsspieler kompensiert.

Die Gelegenheitsspieler stellen zwar einen sehr großen Markt dar, werden aber nur dann aktiv, wenn ein Spiel in den Fokus der Medien gerät oder durch Mundpropaganda sehr empfohlen wird.

Dies hat zur Folge, dass Erfolge meist nur wenigen Spielen beschieden ist.

 

Trotzdem möchte ich jeden Spieleautor ermuntern, sich auch für das Familienspiel einzusetzen, weil der Spielemarkt nur über die Gelegenheitsspieler wachsen und populärer werden kann.

 

Erwachsenenspiele: Unter Erwachsenen wird heute viel mehr gespielt als vor 30 Jahren. Es gibt in den deutschsprachigen Ländern viele Spieleveranstaltungen und viele Spieleclubs, die als Multiplikator fungieren und das Spiel populär machen.

Ende der 80er Jahre wurden die neuen Erwachsenenspiele eingeführt. Trivial Persuit war der Auslöser für einen Quizspielboom, in dessen Sog dann auch andere Arten von Erwachsenenspielen zum Zuge kamen (Tabu, Therapy, Activity, Outburst usw.). Der Trend zum kommunikativen Spiel ist allerdings schon längst nicht mehr vorhanden.

Dafür haben wir einen Trend für anspruchsvolle Brettspiele. Auslöser dafür war vor allem die Jury Spiel des Jahres. Sie zeichnete in den Jahren 1995 bis 2000 fünf anspruchsvolle Spiele aus: Die Siedler von Catan, El Grande, Elfenland, Tikal und Torres.

Da die meisten Gelegenheitsspieler von diesen komplexen Spielen überfordert waren, änderte die Jury ihr Auszeichnungsverhalten und kürte danach wieder einfachere Spiele, die in die Kategorie Familienspiel fallen.

Die Vielspieler waren jedoch in ihrem Element und forderten immer mehr Spiele mit hohem Niveau und Tiefgang. Da der Markt an Vielspielern nicht sehr groß ist, hatten die komplexen Spiele meist nur kleine Auflagen von 3.000 bis 10.000. Die zudem noch rückläufig waren, je mehr komplexe Spiele veröffentlicht wurden. Die Zeichen standen nicht gut für das komplexe Spiel.

 

Da geschah etwas, was nicht vorauszusehen war: Die komplexen deutschen Spiele eroberten das Ausland! Die German Games waren geboren. In vielen Ländern bildeten sich kleine Spielszenen mit Vielspielern. Es entstanden viele Kleinverlage im Ausland, die sich gegenseitig als Partner entdeckten. Das komplexe Spiel wurde international und damit stiegen auch die Auflagen.

Dies ist eine Erklärung für den zurzeit herrschenden Trend an anspruchsvollen Spielen.

Der andere Grund ist der, dass sich die vielen Kleinverlage nur über anspruchsvolle Spiele profilieren können. In diesem Segment ist ein Kleinverlag einem Großverlag zumindest ebenbürtig!

Dies wird u. a. auch dadurch deutlich, dass die Marke „alea“ von Ravensburger nicht von Ravensburger sondern von einem Kleinverlag (Heidelberger) vertrieben wird.

 

Da die anspruchsvollen Spiele in der Spielszene hohes Ansehen genießen, erwirbt ein Spieleautor relativ schnell an Prestige, wenn es ihm gelingt, komplexe Spiele mit internationalem Niveau zu entwickeln. Nie war es einfacher als jetzt, komplexe Spiele zu veröffentlichen.

Allerdings sehe ich auch eine Gefahr in diesem Trend: Wenn aufgrund der vielen Neuerscheinungen solcher Spiele die Originalität verloren geht, wird auch der Trend bald zusammenbrechen! Viele der komplexen Spiele verwenden Mechanismen, die bereits in früher verlegten Spielen enthalten sind und bieten kaum etwas Originelles. Nur wenige neue, komplexe Spiele sind innovativ und dadurch in Inland und Ausland auch erfolgreich.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Spieleautoren sich für alle drei Kategorien (Kinder-, Familien- und Erwachsenenspiele) gleichermaßen einsetzen sollten.

Dabei gilt es, Spiele mit möglichst wenigen Regeln zu entwickeln. Solche Spiele haben eine viel größere Chance erfolgreich zu sein, da der Zugang zum Spiel viel einfacher ist. Es gibt nur eine Ausnahme: Das komplexe Spiel darf auch komplexe Regeln haben.

 

 

4. Einfache, lustige Spiele oder komplexe Spiele mit Tiefgang

Die Antwort auf diese Frage ist bereits weitgehend im letzten Abschnitt „Kinder-, Familien- oder Erwachsenenspiele“ beantwortet worden: Das Eine tun und das Andere nicht lassen, heiß die Devise!

Allerdings bin ich der Ansicht, dass es von den einfachen, lustigen Spielen deutlich mehr geben könnte! Spiele dieser Gattung eignen sich am besten dazu, mehr Menschen zum Spielen zu bringen.

Außerdem haben diese Spiele ein deutlich höheres Potential hohe Auflagen zu erreichen.

Es hatte Gründe, warum die Jury Spiel des Jahres sich wieder mehr dem einfacheren Spiel zugewandt hat.

 

 

5. Trends

Auf dem Spielemarkt gab es im 20. Jahrhundert schon viele Trends, wie z.B. Wirtschaftsspiele (Auslöser „Monopoly“), Krimi- / Detektiv-Spiele (Auslöser „Scotland Yard), Quizspiele (Auslöser „Trivial Persuit“), Kommunikationsspiele (Auslöser „Tabu“ und „Activity“), Sammelkartenspiele (Auslöser „Magic“) und als letzter Trend die Sudoku-Spiele.

Trends wird es auch in der Zukunft geben.

Die Frage für einen Spieleautor ist, soll er sich daran beteiligen?

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es wenig Sinn macht, einem Trend hinterher zu laufen. Wenn man auf einen Trend aufspringen will, dann muss es sofort zu Beginn des Trends geschehen, denn die meisten Trends verebben sehr rasch wieder, weil zu viele Trendprodukte herauskommen und den Markt überschwemmen. Es „überlebt“ dann meist nur das den Trend auslösende Spiel.  

 

 

6. Marke, Spielfamilien

Die Verlage gehen immer mehr dazu über, aus einem erfolgreichen Spiel eine Marke und eine Spielfamilie zu machen. Die Spielfamilie besteht dann aus dem ursprünglichen Spiel, aus Erweiterungen und ergänzenden Spielen, die alle auf demselben Grundmechanismus aufbauen.

Die Spielekritiker sehen diese Spieleflut einer Spielfamilie, die ausschließlich konsumorientiert ist, sehr skeptisch.

Für einen Autor ist es dennoch sehr empfehlenswert, dies zu unterstützen! Dadurch bleibt ein Spiel länger im Fokus des Handels und wird zu einer Marke. Meistens sind die Auflagen solcher Spiele höher als bei einem ganz neuen Spiel.

 

 

7. Spiele nach Büchern, Filmen, Charakter, Auftragsarbeiten

In letzter Zeit erscheinen immer mehr Spiele, die aufgrund bekannter und erfolgreicher Bücher bzw. Filme veröffentlicht wurden. Dies gilt gleichermaßen für Kinder-, Familien- und Erwachsenenspiele. Säulen der Erde, Der Name der Rose, Der Schwarm, Der goldene Kompass, Das kleine Gespenst, Die kleine Hexe, Tintenherz und Die wilden Hühner sind Beispiele dafür. Die meisten Neuheiten des Kosmos Verlages der letzten zwei Jahre sind solche Spiele.

 

Soll ein Spieleautor solche Spiele entwickeln?

Ich würde nur aufgrund eines konkreten Auftrag von einem Verlag aktiv werden und auch nur dann, wenn das Buch bzw. der Film nach wie vor sehr aktuell ist.

Aber selbst Aktualität ist kein Garant für einen Erfolg, so haben sich z.B. die Spiele zu Harry Potter nur sehr schlecht verkauft, obwohl es neben den Büchern auch die Filme gab.

Das Thema des Buches oder Filmes sollte auch ein Thema sein, für das sich Spieler sehr interessieren. Wenn dies der Fall ist, wie z.B. bei Herr der Ringe, dann ist auch das Spiel erfolgreich. Allerdings nicht auf die Dauer. Ich kenne aktuell kein Spiel zu einem Buch / Film, das sich länger als fünf Jahre am Markt gehalten hat.  

Der Spieleautor, der an einem solchen Projekt arbeitet, sollte sich auch im Klaren sein, dass die Lizenz wesentlich niedriger ist, als bei einem Spiel, das sich an kein Buch, Film oder Charakter anlehnt.

 

 

 

24.03. / 29.04.2009

Wolfgang Kramer

 

 

Der Vortrag wurde am 02.05.2009 anlässlich des Schweizer Spieleautorentreffen 2009 im Schweizer Spielmuseum, Rue du Chateaux 11, 1814 La Tour-de-Peilz gehalten.

 

 

 

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